Gedenken an Oswald Laufer

Zu Gast waren die Großnichte Arona Korman-Gvarjahu aus Israel und der Neffe Dr. Stephen Lawson aus London

Anlässlich des 90. Jahrestages der Ermordung des jüdischen Reichsbanneraktivisten Oswald Laufer kamen auch Verwandte nach Wuppertal, um an einer Gedenkzeremonie teilzunehmen, die die Jusos Wupertal organisiert hatten. Mit bewegenden Worten erinnerten  Arona Korman-Gvarjahu (Tochter von Oswalds Neffen Gerd Korman) aus Israel und Oswalds Neffe Dr. Stephen Lawson aus London an ihren Vorfahren, der im Familiengedächtnis auch nach 90 Jahren noch immer sehr präsent ist.

Auf dem Programm der Gäste stand weiter ein Besuch am Grab auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg und ein Gespräch mit Oberbürgermeister Dr. Uwe Schneidewind im Rathaus.

Im Folgenden die Ansprache von Dr. Ulrike Schrader während der Gedenkveranstaltung am 7. März 2023:

"Heute vor 25 Jahren haben wir an dieser Stelle diese Gedenktafel enthüllt. Das war eine Initiative der Begegnungsstätte Alte Synagoge mit dem SPD-Unterbezirk Wuppertal, und es standen an dieser Stelle der Vorsitzende Wolfgang Ebert, dann Ministerpräsident Johannes Rau und der Wuppertaler Altoberbürgermeister Gottfried Gurland. Die Enthüllungszeremonie war umso bedeutender, weil Oswalds Neffen Gerd und ManfredKorman aus New York gekommen waren. Das sind die Söhne von Oswalds Schwester Rosa Korman.

Sie bedauern sehr, heute nicht wiederum nach Wuppertal gekom-men zu sein, aber die Reise ist mittlerweile zu beschwerlich. Auf dem Programm des Besuchs damals – übrigens bei sehr ähnlichem Wetter wie heute – stand nicht nur die Gedenktafel und die Begegnung mit den lebenden Politikern Ebert, Rau und Gurland, sondern auch der Besuch bei einem Toten, nämlich bei Friedrich Engels. Ganz wichtig war den beiden Gästen aber vor allem der Besuch auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg, wo Oswald Laufers frommen Eltern ihren Sohn bestatteten.

Heute sind hier wiederum Verwandte, nämlich der Neffe Dr. Stephen Lawson aus England, der Sohn von Oswalds Bruder Salomon oder John Laufer, und Arona Korman-Gvarjahu, die Tochter des Neffen Gerd Korman aus Israel, und sie begrüße ich sehr sehr herzlich.

Heute ist, wie übrigens auch am Tag der Ermordung Oswald Laufers, das jüdische Fest Purim, so dass die beiden Gäste das Grab erst morgen besuchen werden. Dankbar habe ich heute noch einmal die Fotos unserer schönen Begegnungen in den letzten Jahren durchgesehen.

Gedenktafeln und Daten, wie heute der 7. März, sind gute Anker-plätze für die Erinnerung. Sie halten uns ein bisschen fest und zwingen uns, darüber nachzudenken, was damals eigentlich passiert ist. Der Mord an Oswald Laufer, der ja steht für viel zu viele politische Morde in der Weimarer Republik und der Phase des nationalsozialis-tischen Machtdurchsetzung, dieser Mord ist ein Anlass des Nach-denkens darüber, was Oswalds Widerstand eigentlich bedeutete. Denn nie hatte er im Sinn, zu einem Märtyrer der Demokratie zu werden, der er dann tatsächlich geworden ist. Er hatte vor, die demokratische Republik, so wie er sie als Sozialdemokrat begrüßte und verstand, zu verteidigen. Denn das, was uns heute so normal und selbstverständlich erscheint, nämlich in einer freien und demokrati-schen Gesellschaft zu leben, war damals ernsthaft gefährdet. Aber doch nicht nur durch die Nazis!

Wir können in diesem ersten Halbjahr 2023 sehr viele Veranstaltun-gen besuchen, die sich auch mit dieser Frage beschäftigen: Warum haben die Menschen damals nur so wenig Widerstand gegen die radikalen Kräfte von rechts und von links geleistet? Warum war das Interesse an dem Weimarer Staat nur so gering, warum galt die moderne und offene Gesellschaft den meisten offensichtlich nicht als so wertvoll, so dass sie sie ohne große Magenschmerzen preisgaben?

Und wie wäre das heute? Wieviel wert ist den Menschen in Europa das Leben in einer Gesellschaft, in der man sich frei versammeln darf, seine Meinung frei äußern und seine Rechte einklagen kann, in der die Zuständigkeiten klar getrennt sind, wie das in einer Gewalten-teilung vorgesehen ist? Wir können beobachten, wie in demokra-tischen Staaten etwas erodiert, wenn wir nach Ungarn und Polen schauen, aber auch nach Frankreich, Italien, in die USA und seit jüngster Zeit auch nach Israel schauen. Und wie finden wir das, wenn Umfragen in Deutschland ergeben, dass sich im Jahr 2022 wegen des Ukraine-Kriegs und der Angst davor die Zahl der Kriegsdienstverwei-gerer fast verfünffacht hat? Nur die wenigsten der aktiven Soldatin-nen und Soldaten haben solche Anträge gestellt. Es waren vor allem Reservistinnen und Reservisten und Ungediente.

Was soll das Gedenken an einen Mann, der sein Leben aufs Spiel setzte und verlor, weil er die Demokratie verteidigen wollte, was soll uns der Widerstand der iranischen Frauen, der Mut der afghanischen Frauen, die Tapferkeit und Selbstlosigkeit der ukrainischen Kämpfer und die Demonstranten auf den Straßen von Tel Aviv denn anderes sagen, als dass Gleichgültigkeit, kleinliche Sorge und Bequemlichkeit die ärgsten Feinde der Demokratie und der offenen, freien Gesellschaft sind.

Gedenken an Oswald Laufer muss auch bedeuten: Solidarität mit allen Freiheitskämpfern, mit den Gegnern von Despoten, Autokraten und Oligarchen, mit den Frauen und Männern, die für ihre Emanzipation, für eine freie und offene Gesellschaft auch mit ihrem Leben eintreten."

 

 

 

 

 

 

Arona Korman-Gvarjahu und Dr. Stephen Lawson vor der Gedenktafel für Oswald Laufer, Wilhelmstraße (Foto: Ulrike Schrader)